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Hamburg: Cansu Özdemir wird von Polizei an Ausreise gehindert und ist wütend – „Erinnert an Erdogan-Methoden“

Hamburg: Cansu Özdemir wird von Polizei an Ausreise gehindert und ist wütend – „Erinnert an Erdogan-Methoden“

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Hamburg: Aufregung um Cansu Özdemir und ihre Reise nach Erbil in die autonome Region Kurdistan im Irak. Foto: IMAGO / ZUMA Press

Am Düsseldorfer Flughafen ist am Samstagvormittag eine Gruppe von rund 20 Personen mit dem Reiseziel Erbil im Nordirak von der Bundespolizei festgehalten und befragt worden. Nach Angaben der Linken-Fraktion der Bürgerschaft in Hamburg handelt es sich um eine Delegation, zu der auch die Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir gehört.

Erbil ist die Hauptstadt der kurdischen Autonomiegebiete im Irak. „Wir sind seit mehreren Stunden in einem Raum ohne Fenster eingesperrt“, erklärte Özdemir laut einer Mitteilung der Fraktion aus Hamburg.

Hamburg: Politikerin verhört

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Delegation würden auf der Flughafenwache einzeln verhört. „Als „Begründung“ wurden uns lediglich „politische Aktivitäten einzelner Delegationsmitglieder in der Vergangenheit“ genannt.“ Der Anschlussflug nach Erbil sei mittlerweile ohne die Delegation gestartet.

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Sprecherin Christin Fußwinkel von der Bundespolizei Nordrhein-Westfalen bestätigte, dass im Laufe des Vormittags eine Gruppe von rund 20 Personen einer „intensiven grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle“ unterzogen wurde. Auch Özdemir sei befragt worden.

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Das ist Recep Tayyip Erdoğan:

  • am 26. Februar 1954 in Istanbul geboren
  • Vorsitzender der islamisch-konservativen AKP
  • seit 2014 Staatspräsident der Türkei, seit 2018 mit erheblich mehr Macht ausgestattet
  • unterdrückt türkische Opposition, unabhängige Medien und öffentliche Kritik
  • verfolgt Abbau des Laizismus in der Türkei (Trennung von Staat und Religion)
  • verfolgt aggressive Außenpolitik auf: die Türkei ist/war am Syrien-, Libyen- und Bergkarabach-Konflikt beteiligt, Streit um Mittelmeer-Gasfelder mit Griechenland und Frankreich, Streit um Flüchtlinge mit der EU

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Linksfraktion in Hamburg wehrt sich

Anlass für die Kontrolle sei gewesen, „dass wir nicht ausschließen konnten, dass von Personen dieser Gruppe Gefährdungen ausgehen könnten, die die Sicherheitsbelange der Bundesrepublik Deutschland im Ausland nachhaltig schädigen könnten“.

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Die Sprecherin machte keine Angaben darüber, welcher Art diese Gefährdungen sein könnten. In einem Begründungsschreiben zur Ausreiseuntersagung der Bundespolizei, das einer Person aus der Reisegruppe ausgehändigt worden sein soll, heißt es, dass…

„Ab Anfang Juni Personen in Gruppen in die kurdischen Gebiete einreisen, um von dort aus die Krisenregion zu erreichen. In der Vergangenheit versuchten die PKK bzw. die Schwesteroganisation der PKK in Syrien im Zusammenhang mit solchen Aktionen junge Menschen aus Europa für die PKK zu gewinnen. Teilweise kämpften diese anschließend mit den Verbänden der Kurden oder in internationalen Brigaden im Raum Syrien/Irak.“

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Cansu Özdemir bezeichnet dieses Schreiben auf Twitter als „skandalös“. Die Bundespolizei wollte die Echtheit des Schreibens nicht bestätigen – aber auch nicht ausschließen. Eine Sprecherin sagte gegenüber MOIN.DE, die Linken-Politikerin habe sich zunächst nicht als Bürgerschaftsabgeordnete legitimiert. Dem widerspricht die Hamburgerin in einer Mitteilung. Sie habe den Beamten gesagt, dass sie natürlich nicht höher gestellt sei als andere, aber dass die Polizei ihre Arbeit als Parlamentarierin behindere. Darüber hätten die Beamten laut ihr nur gelacht.

Auf die Frage, ob die Bundespolizei ernsthaft befürchtete, dass sich Mitglieder der Gruppe gar einem bewaffneten Kampf der PKK anschließen würden, verwies die Sprecherin ebenfalls darauf, dass man „Gefährdungen nicht ausschließen konnte“.

Hamburg: Grüne solidarisiert sich

Bürgerschaftskollegin Jenny Jasberg von den Grünen sagte: „Es bleibt höchst irritierend, wie heute die Bundespolizei mit einer Abgeordneten der Bürgerschaft Hamburg umgegangen ist. Die politische Auswertung der Berichte und die Klärung der Rechtsgrundlage, die die Reise einer Mandatsträgerin verhinderten, werden wir begleiten.“

„Wir sind fassungslos darüber, dass deutsche Sicherheitsbehörden eine politische Delegation mit gewählten Abgeordneten wie Schwerkriminelle behandeln und an der Ausreise hindern – ohne nachvollziehbare Rechtsgrundlage. Wir fordern die sofortige Freilassung aller Beteiligten! Diese Freiheitsberaubung im Dienste Erdogans muss aufgeklärt werden und Konsequenzen haben!“, sagte Linken-Fraktionsvorsitzende Sabine Boeddinghaus in einer Mitteilung.

Sie habe im Gespräch mit der Bundespolizei erfahren, dass die Ingewahrsamnahme das Ziel habe, vermeintliche „menschliche Schutzschilde der PKK“ zu verhindern, um die deutsch-türkischen Beziehungen nicht zu belasten.

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Hamburg: Linken-Parteivorstand äußert sich

Das Reiseziel der Gruppe, die Kurden-Region um Erbil im Irak, steht nicht unter der Kontrolle der PKK. Ganz im Gegenteil: Zuletzt soll es wieder Angriffe der PKK auf dortige kurdische Peschmerga-Sicherheitskräfte und auch Grenzsoldaten gegeben haben. Die PKK wiederum wird vom türkischen Militär bekämpft.

Ziel war es nach Angaben des Linken-Parteivorstandes, sich vor Ort in Erbil über die seit Wochen andauernden Militäraktionen der Türkei im Nordirak zu informieren und „auf die völkerrechtswidrigen Angriffe aufmerksam zu machen“. „Die angeblich gegen Stellungen der PKK gerichteten Angriffe treffen immer wieder die Zivilbevölkerung.“

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„Wir erwarten von der Bundesregierung und dem Auswärtigen Amt sofortige und umfassende Aufklärung über den Vorgang“, forderte der Parteivorstand mit Blick auf das Festhalten der Linkspolitiker. Es könne „nicht sein, dass Politikerinnen und Politiker, die ihre Rechte wahrnehmen, auf diese Weise in ihrer Arbeit behindert werden“. Mit Blick auf den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan hieß es in der Erklärung weiter, deutsche Behörden dürften „nicht zu Erdogans Handlangern werden“.

Vor wenigen Monaten kritisierte Özdemir einen SPD-Mann aus Hamburg wegen dessen Erdogan-Treue scharf. Der türkische Staatspräsident hätte diesen sogar gerne in einem hochbrisanten Posten gesehen. >>> Hier mehr dazu. (rg/dpa)