Selten ging es auf Sylt so offenkundig politisch zu wie in diesen Tagen. Vor dem Rathaus der beliebten Ferien-Insel campieren Punks im Zeichen des Protests – nach etlichen Demos und Party-Tourismus ein Schritt, der mal wieder Wellen schlägt.
Nun erhielten die Protestler auf Sylt hohen Besuch: Teilnehmer des Protestcamps (>>> wir berichteten) luden Wolfgang Schäuble (CDU) zum Gespräch ein – und der kam auch noch. Rund anderthalb Stunden diskutierte der Politik-Promi vor Ort mit den Protestlern, die Reaktionen dazu fallen krass aus.
Sylt wird zum TV-Studio – naja, fast
Ein wenig wie das Freiluft-Studio für eine Talk-Show sieht das Areal vor dem Sylter Rathaus aus, die Gastgeber nehmen ihr Vorhaben äußerst ernst. Auf einem kleinen Tisch stehen Kaffee und Apfelschorle, ein Teppich wurde ausgelegt, es gibt Mikrofone und Verstärker. Zwischen zwei Moderatoren aus der Punk-Szene sitzt Wolfgang Schäuble.
„Politikergelaber“ auf Sylt
Im Publikum sitzen überwiegend Punks, doch auch andere Besucher zeigen sich interessiert. Themen der Sitzung: Vermögensverteilung in Deutschland, Krieg und Toleranz. Themen, die für viele den Kern der Proteste auf Sylt ausmachen.
Was einer punkigen Musikern, die regelmäßig von der Insel berichtet, sogleich missfällt, ist Schäubles „Politikergelaber“. Er rede zu sehr „um den heißen Brei herum“, findet sie.
Das ist Sylt:
- Sylt ist die größte nordfriesische Insel und liegt in der Nordsee
- Nach Rügen, Usedom und Fehmarn ist Sylt die viertgrößte Insel Deutschlands
- Die Insel Sylt ist vor allem für ihre Kurorte Westerland, Kampen, Wenningstedt und den ca. 40 Kilometer langen Sandstrand im Westen bekannt
- Zahlreiche Gebiete auf und um Sylt sind als Schutzgebiete ausgewiesen. Auf der Insel gibt es allein zehn Naturschutzgebiete
- Der Tourismus ist seit über 100 Jahren auf Sylt von erheblicher Bedeutung, seit Westerland 1855 zum Seebad (Kurort) wurde
Sylt: Gegen Kapitalismus und Krieg
Schäuble spricht von Ärztemangel in Afrika und freiwillige Hilfe aus Deutschland. „Warum hören wir nicht auf, diese Menschen auszubeuten?“ will jemand aus dem Publikum wissen. Einer der Gastgeber umreißt die komplexe Thematik genauer, Schäuble nimmt sich Zeit, antwortet wohlüberlegt, letztendlich kommt er zum Reizthema Kapitalismus zurück.
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Es bleibt aber friedlich auf Sylt, zahlreiche Menschen zeigen sich begeistert von der Aktion. Dennoch lassen Kritiker im Nachgang nicht lange auf sich warten. „Geile und coole Aktion von Wolfgang Schäuble!“ verkündet ein Unternehmer aus Norddeutschland, ein Beobachter kontert sofort, der CDUler sei humorlos und alles andere als „cool“.
Reden helfe, es komme nur auf die Themen an, resümiert eine Frau aus Hamm und schließt sich zahlreichen Befürwortern des Dialogs an. Schließlich hätten sich hier „die Richtigen gefunden“.
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Sylt: Die schwarzen Nullen sind die anderen
Die lauteste Kritik kommt letztendlich nicht von Protestlern selbst, trotz so mancher Vereinfachung um „Politikergelaber“: Das „Gesocks“, das Strandkörbe unangemeldet in Beschlag nehme, den Park vor dem Rathaus verschmutze und nicht arbeite, solle endlich verschwinden, heißt es.
Warum man immer für „alles“ (in diesem Falle für die Protestler und 9-Euro-Ticket-Urlauber auf Sylt) Verständnis haben müsse, will eine Frau wissen, und erntet reichlich Zustimmung.
Die Protestler auf Sylt werden wohl noch bleiben, und sich Gehör verschaffen – mal laut, mal leise.