Im Elbschlosskeller schätzt man das Einfache – Bier gegen Bargeld, Schlager aus der Jukebox, die Tür ist 24 Stunden am Tag auf. Nach der Bundestags- und vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg ist aber nichts mehr einfach.
Zu komplex ist die Weltlage, zu überfordernd wirken bundesdeutsche und lokale Probleme für Politik und Bürger in Hamburg. MOIN.DE war vor Ort – und erfuhr, wo Besucher der Knallhart-Kneipe ihr Kreuz machen wollen. Spoiler: SPD und Grüne bekommen es nicht.
Hamburg: Auf der Reeperbahn mittags um halb eins
Wer im Elbschlosskeller sitzt, sucht in der Regel Gemeinschaft, Betäubung oder beides. In Zeiten politischer Unruhen, massiven Umwälzungen im Bundestag und einer frustrierten Bundesrepublik ist der Elbschlosskeller auf der Hamburger Reeperbahn auch um 12.30 Uhr mittags gut gefüllt.
Bierflaschen leeren sich, die Köpfe der Gäste aber keinesfalls. Denn zum Thema Politik haben sie alle was zu sagen. André Schumann (46), Dachdecker und Patchwork-Familienvater, erklärt in klaren Worten, dass er „Hass auf die Grünen“ hat. Sein Kreuz macht er bei der CDU sagt er – die AfD würde er wählen, wäre da nicht Björn Höcke. Denn Rechtsextremismus passe ihm nicht.
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Hamburg: Gegen die da Unten
Schumann, ein Mann wie ein Bär, fühlt sich nicht mehr sicher, seit „Messer-Angriffe und Auto-Anschläge“ gefühlt an der Tagesordnung stünden in Deutschland. Von der Strafverfolung in Deutschland zeigt er sich enttäuscht. „Es passiert nichts“, meint er und verweist auf mutmaßliche Straftäter, die bereits vor ihren Taten im Visier von Behörden waren, wie etwa der mutmaßliche Angreifer von Aschaffenburg Ende Februar.
Dazu könne es „nicht sein“, dass Menschen in Deutschland Mülltonnen durchwühlen müssten, um über die Runden zu kommen, so Schumann. Dass die CDU Armutsbekämpfung nicht gerade als erstes angehen will, in einer neuen Bundesregierung nicht und auch nicht im Hamburger Senat, stimmt ihn nachdenklich. „Es ist schwierig“, meint er zu MOIN.DE.
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Hamburg: „Merz hat keine Eier“
Einer von denen, die kein Geld haben ist Anton (Name geändert). Der 57-Jährige Monteur ist seit September obdachlos, schläft jede Nacht in einem Hinterzimmer des Elbschlosskellers auf einer Isomatte. Nachdem er seine Frau nach 23 Jahren Ehe mit einem anderen im Bett erwischte, suchte er das Weite. Wirt Daniel Schmidt gibt ihm seitdem Asyl. Dass die AfD als zweitstärkste Kraft im Bundestag sitzt, macht ihm Angst, vertraut er MOIN.DE an. Denn die will soziale Versorgungen beschneiden.
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Letzte Chance in Hamburg
Anton habe wenige Tage später einen Termin beim Jobcenter, will endlich Bürgergeld beziehen. Sein größter Wunsch ist eine eigene Wohnung. „Nur ein kleines Zimmer, mit einer Matratze drin“, erklärt er. Wählen war er noch nie, gibt er zu – in der Politik sei ohnehin „alles Scheiße“.
Jemand, der das genau so sieht, ist Benni (36). Er ist zusammen mit Katrin (35) zu Gast in Hamburg. Im Elbschlosskeller haben sie jeweils den gleichen Longdrink bestellt – mit ihren Wählerstimmen gehen sie auf verschiedene Weisen um. „Merz hat keine Eier. Merkel hatte wenigstens welche. Und Olaf Scholz war ja nie anwesend“, erklärt Katrin. Sie sieht die Merz-CDU kritisch, die Wählerschaft der Christdemokraten sei einfach zu alt. Ihr Kreuz bei der Bundeswahl hat sie bei Linke und BSW gemacht.
Benni gehe einfach gar nicht wählen, gibt er preis. „Da passiert doch eh nichts“, sagt er. Ein simples Fazit. Als MOIN.DE den Elbschlosskeller verlässt, ruft eine Frau aus einer Ecke ganz hinten: „Genug mit Politik! Die machen doch eh was sie wollen, die sind doch nicht ganz richtig“.