Hamburg.
Die Coronakrise hat das öffentliche Leben in Hamburg wochenlang fast stillstehen lassen. Aber auch das private Leben beschränkte sich für die Menschen plötzlich fast nur noch auf die eigenen vier Wände. Für alle war das anstrengend – für manche Frauen und Kinder aber war es die Hölle.
Denn Familien aus Hamburg, in denen ein Partner gewalttätig ist, waren plötzlich permanent zusammen in einer Wohnung.
Hamburg: 24 Stunden am Tag mit einem Gewalttäter allein
Lagerkoller, Frustration und dazu vielleicht noch die Sorge um den Arbeitsplatz sorgen bei Menschen, die ohnehin zu Aggressivität neigen, auch nicht unbedingt für ein milderes Gemüt. Eine furchtbare Situation für die Betroffenen.
Die Leiterin des Frauenhauses der Diakonie in Hamburg, Stefanie Leich, sagt im Interview mit MOIN.DE: „Die Art und Weise der Gewalt hat sich durch Corona nicht geändert.“
Konflikte eskalieren schneller
„Die Situationen, aufgrund derer Frauen, gegebenenfalls mit ihren Kindern, ins Frauenhaus kommen, sind dieselben. Sie alle erleben in ihrer Partnerschaft, oder in der Familie, mit der sie leben, körperliche, psychische und/oder sexuelle Gewalt.“
Gegenüber MOIN.DE bestätigt die Hamburger Familiensenatorin Melanie Leonhard (SPD): „In dieser Zeit, in der alle mehr zu Hause sein müssen, können Konflikte aufbrechen oder entstehen.“
Rat holen ist in diesen Zeiten nicht so einfach
Sie rät: „Wer deswegen Hilfe braucht, sollte nicht zögern, die Nummer des Hilfetelefons zu wählen. Es ist richtig, sich früh Unterstützung oder Rat zu holen.“
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Da stimmt ihr Stefanie Leich natürlich zu. Doch sie sieht ein Problem: „Durch die extremen Einschränkungen im öffentlichem Leben haben Frauen auch viel weniger Möglichkeiten, das Haus zu verlassen und sich Unterstützung zu holen“, sagt sie zu MOIN.DE.
„Denn wenn der ausübende Partner oder Familienangehörige immer mit mir in einer Wohnung ist, kann ich weder irgendwo anrufen, noch unbemerkt das Haus verlassen.“ Und das sei gerade oft der Fall: „Frauen erleben fast ausschließlich in den eigenen vier Wänden Gewalt, sei es durch den Partner oder die Familie.“
Frauen fragen vermehrt nach Unterstützung
Bisher seien deshalb zwar nicht mehr Hilfegesuche als sonst bei den Hamburger Frauenhäusern eingegangen, doch Leich sagt: „Wir vermuten alle, dass jetzt, wo einige Lockerungen in Kraft treten, auch vermehrt Frauen um Unterstützung anfragen. Erste Hinweise darauf gab es in der vorletzten Woche.“
Die Lockerungen geben Frauen eine Chance
Bei der deutschlandweiten Hotline, dem Bundeshilfetelefon, sei ein deutlicher Anstieg der Anrufe festgestellt worden.
Auch in der Hamburger Zentrale hätten jetzt häufiger „Frauen angerufen, die nicht wissen, wie sie zur Zeit das Haus verlassen sollen, um sich Hilfe zu holen.“
Handzeichen als Hilferuf
Im Internet erfanden Frauen deshalb bereits ein unauffälliges Zeichen, mit dem Betroffene bei Skype-Anrufen und Videocalls mit Freundinnen oder Verwandten diskret darauf aufmerksam machen können, dass sie Hilfe brauchen.
Eine erhobene Hand mit angewinkeltem Daumen, über den dann alle vier Finger geklappt werden. Eine Art stummer Notruf.
Hamburg ist darauf vorbereitet, dass jetzt vermehrt Frauen und Kinder Schutz und Beratung benötigen. „Für das gesamte Hilfesystem Opferschutz gibt Hamburg rund 6,4 Mio. Euro aus“, so ein Sprecher der Familiensenatorin.
Anlaufstelle für Täter und Opfer
Gefördert würden damit unter anderem „sechs Fachberatungsstellen“, die zu Problemen wie häuslicher Gewalt, Stalking, sexuellem Missbrauch, Zwangsverheiratung und Gewalt allgemein beraten würden.
Auch eine Anlaufstelle für Täter oder potenzielle Täter, die ihr Verhalten ändern wollen, gibt es.
Wer im Freundeskreis oder in der Nachbarschaft häusliche Gewalt mitbekommt, sollte sich nicht aufdrängen, aber diskret Hilfe anbieten. „Eine gute Idee wäre, im Gespräch klar zu sagen: Ich kriege mit, was da passiert, du musst nicht darüber reden – aber ich bin da, wenn du mich brauchst.“, rät Stefanie Leich.
Hier gibt es Hilfe
Hilfe finden betroffene Personen beim Bundeshilfetelefon unter der Nummer 08000 -116 016 (auch per Chat kann hier beraten werden).
Die zentrale Anlaufstelle der Hamburger Frauenhäuser ist unter Tel. 040 – 800 04 1000 oder per E-Mail: schutz@24-7-frauenhaeuser-hh.de erreichbar.