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Hamburg: Pfleger warnt vor nächster Schock-Welle – der Grund ist nicht Corona

Hamburg: Pfleger warnt vor nächster Schock-Welle – der Grund ist nicht Corona

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© picture alliance/dpa | Boris Roessler

Die krassesten Hamburger Kriminalfälle

Ob in Hamburg oder anderswo, sie waren besonders während der Corona-Pandemie immer wieder Thema. Ihnen wurde applaudiert, sie wurden gelobt, doch was hat ihnen das am Ende gebracht? Wie geht es den Pflegekräften jetzt, nach zwei Jahren Pandemie?

MOIN.DE hat mit einem Auszubildenden in der Pflege aus Hamburg darüber gesprochen, wie sich sein Beruf in den letzten zwei Jahren veränderte. Er ist sich sicher: Die nächste Welle droht, über uns alle hereinzubrechen. Und die hat ausnahmsweise mal nichts mit Corona zu tun – aber das macht sie nicht weniger bedrohlich.

Hamburg: „Zwischenmenschlichkeit fehlt“

Justin Weiß macht ein duales Studium zum Gesundheits- und Krankenpfleger und ist deshalb des Öfteren als auszubildende Pflegekraft im Krankenhaus im Einsatz. Zusätzlich arbeitet er in einem Pflegeheim. Was seinen Arbeitsalltag am meisten verändert hat, seien die Masken, sagt er.

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Als Pflegekraft habe man die Aufgabe, „eine Beziehung zu den Patienten aufzubauen, da schränkt vor allem die Maske schonmal ein“, weil sie die Hälfte des Gesichts verdeckt. „Das Zwischenmenschliche fehlt gerade so ein bisschen“, bedauert Weiß.

Zusätzliche Belastungen im Krankenhaus in Hamburg

Es sei auch seltsam, dass je nach Corona-Lage keine Besucher vorbeikommen dürften. „Für uns ist es eine Entlastung, wenn Angehörige da sind.“ Doch die fehlten nun und das führt nicht nur bei den Pflegekräften zu einer Belastung, denn Patienten verlören ohne Angehörige den Kontakt zur Außenwelt.

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Daten und Fakten über Hamburg:

  • Hamburg ist als Stadtstaat ein Land der Bundesrepublik Deutschland.
  • Hamburg ist mit rund 1,9 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Deutschlands und die drittgrößte im deutschen Sprachraum.
  • Das Stadtgebiet ist in sieben Bezirke und 104 Stadtteile gegliedert, darunter mit dem Stadtteil Neuwerk eine in der Nordsee gelegene Inselgruppe.
  • Der Hamburger Hafen zählt zu den größten Umschlaghäfen weltweit.
  • Die Speicherstadt und das benachbarte Kontorhausviertel sind seit 2015 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes
  • International bekannt sind auch das Vergnügungsviertel St. Pauli mit der Reeperbahn sowie das 2017 eröffnete Konzerthaus Elbphilharmonie.

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Im Krankenhaus sei auch zusätzliche Arbeit dazu gekommen. „Wir müssen deutlich vorsichtiger sein“ und schon beim kleinsten Verdacht ginge ohne Schutzkittel, Brille, Visier und Handschuh gar nichts mehr. Und „weil man sich vor jedem Patientenzimmer neu ankleiden muss“, würde dadurch mehr Zeit verloren gehen. Zeit, die sowieso schon knapp ist.

Pflegeheim in Hamburg auch betroffen

Verständlich seien die Regeln trotzdem. „Das Ziel ist es ja, die Pandemie einzudämmen und die Sicherheit der Patienten geht eindeutig vor.“

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Auch in dem Pflegeheim, in dem Weiß tätig ist, ging Corona nicht vorbei. Während der Omikron-Welle hätten sich einige Bewohner angesteckt, weshalb das Heim einen „kompletten Shutdown“ durchführte.

Keine Besucher in Hamburg

Für Bewohner und Mitarbeiter habe das gleichermaßen schwere Konsequenzen gehabt. „Wenn Besucher ausbleiben, dann hat das den Nachteil, dass den Bewohnern schnell langweilig wird. Denen fehlt der persönliche Kontakt zur Außenwelt. Das sorgt bei einigen Bewohnern schon für depressive Verstimmungen.“

Und demente Bewohner könnten es zum Teil nicht einordnen, weshalb die Mitarbeiter im Schutzkittel rumlaufen. „Das wirkt eigentlich wie in einem Quarantänefilm“ und die Bewohner wüssten „teilweise überhaupt nicht, was da los ist.“

Pfleger aus Hamburg trifft Situation stark

Den 22-Jährigen nehme das sehr mit, wenn er bemerkt, wie sehr die Bewohner unter den Folgen der Pandemie leiden. „Meine Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass es den Patienten gut geht. Auch mental.“ Trotzdem „sind mir da einfach die Hände gebunden. Ich kann nichts dagegen machen.“

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Auf die Frage, wie der Pflege geholfen werden könne, hat Weiß eine schnelle Antwort. „Was generell sehr gut wäre, wäre mehr Personal. Wir waren auch schon vor der Pandemie echt überlastet.“

Hamburg: Beruf bekommt zu wenig Anerkennung

„Ich glaube der Beruf hat noch nie wirklich genug Anerkennung bekommen“, weist der Auszubildende auf ein großes Problem hin. Am Anfang der Pandemie hätten die Leute noch geklatscht, „aber das hat dann ja auch recht schnell wieder aufgehört.“

Was übrig blieb von dem Klatschen war der Corona-Bonus. Der wurde Pflegekräften in den vergangenen zwei Jahren ausgezahlt. Laut des Bundesgesundheitsministeriums ging es dabei aber lediglich um zwei einmalige Zahlungen von höchstens 1500 Euro. Die konnten je nach Bundesland und genauer Tätigkeit noch variieren. Zum Beispiel erhielten Auszubildende höchstens 900 Euro.

Bekommen Pfleger in Hamburg wieder einen Bonus?

Auch für dieses Jahr wird über einen Bonus verhandelt. Aber offensichtlich machten die Zuschüsse den Beruf nicht ausschlaggebend attraktiver. „Ich habe das Gefühl, dass die Gesellschaft wieder das Bild von uns hat, dass wir diejenigen sind, die den Arsch abwischen“, bedauert Weiß. Der Pflegeberuf sei zurück zu seinem alten Bild gekehrt, nur dass er jetzt noch mehr Risiken berge.

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Doch für das Gesundheitswesen kommt es womöglich noch schlimmer. Denn abgesehen von den zusätzlichen emotionalen Belastungen und Corona-bedingten Stressfaktoren, bereitet vielen Pflegekräften etwas weiteres Sorgen: Die Impfplicht. Wird sie, zusammen mit den sowieso bereits erschwerten Arbeitsbedingungen eine neue Welle auslösen?

Wie wird die Impfpflicht in Hamburg umgesetzt?

„Ein großes Ding, was gerade alle im Gesundheitswesen auch beschäftigt, ist die Impfpflicht, von der alle sprechen“, sagt der Auszubildende. „Ich bin der festen Überzeugung, dass sich alle impfen lassen sollten.“ Er selbst sei auch geimpft. Trotzdem sehe er das Thema problematisch.

Die Impfpflicht im Gesundheitswesen soll in Deutschland am 15. März in Kraft treten. Doch wie genau die umgesetzt werden soll und was das konkret für Beschäftigte ohne vollständigen Impfschutz bedeutet, ist knapp einen Monat vorher noch komplett unklar.

Droht im Hamburg die nächste Welle?

Auch in Hamburg ist noch nicht klar, was der 15. März verändern wird. Eventuell müssen Arbeitsverhältnisse ruhen, doch Details fehlen noch. Besondere Sorgen bereite in Hamburg die dritte Impfung. Wenn auch diese zur Pflicht wird, stünde die Hansestadt vor einem Problem. Denn nur 63 Prozent der Arbeitnehmer in der stationären Pflege seien laut des NDR geboostert. Werden die restlichen 37 Prozent schon bald nicht mehr arbeiten können?

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Justin Weiß erklärt MOIN.DE: „Ich finde, die Leute sollten sich auf freiwilliger Basis impfen lassen. Gerade Leute, die sich in der Thematik auskennen“, wie es im Gesundheitswesen der Fall ist, „sollte man nicht dazu zwingen. Das Einzige, was das im Enddefekt bringt ist, dass jetzt eine Kündigungs-Welle auf uns zu kommt.“

Hamburg: Das steckt hinter der Welle

Und die sei sehr schwer zu stoppen, wenn sie erst einmal ins Rollen gerate, warnt Weiß. Er steht mit seinen Befürchtungen nicht allein. Es gebe viele Pfleger in seinem Umfeld, die sagen: „Die nächste Welle wird keine Corona-Welle sein, sondern diese Kündigungs-Welle.“

Was passieren würde, wenn der sowieso schon unterbesetzte Pflegeberuf noch mehr Mitarbeiter verliert, ist unvorstellbar. Weiß erklärt, was im schlimmsten Falle eintreten könnte: „Wenn nicht genug Menschen da sind, die die Leute behandeln können, dann wird vielleicht ein Triage-System eingeführt.“

Wird es in Hamburg so wie in Frankreich?

Ob es wirklich soweit kommt, ist allerdings noch unklar. Fest hingegen steht, dass die Impfpflicht im Gesundheitswesen zu Problemen führen kann, so wie es beispielsweise in Frankreich der Fall ist. Dort wurde eine Impfpflicht im medizinischen Bereich bereits am 15. September 2021 eingeführt. Die Folge war, dass laut der „Zeit“ zwischen 15.000 und 20.000 Pflegekräfte ihren Beruf verließen. Experten würden allerdings vermuten, dass die Dunkelziffer dabei sehr hoch sei.

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In Deutschland wären solche Folgen fatal. „Ich weiß einfach nicht, wo das fehlende Personal herkommen soll“, sagt Weiß schon fast verzweifelt. „Und wenn wir ehrlich sind, ist der Beruf durch die Pandemie nicht gerade attraktiver geworden.“

Hilferufe aus Krankenhäusern in Hamburg

In Hamburg gibt es jetzt schon Hilferufe aus Krankenhäusern. Für Intensivstationen gibt es beispielsweise einen Personalschlüssel, nach dem eine Pflegeperson tagsüber für nicht mehr als zwei Patienten zuständig sein darf. Doch der kann teilweise nicht eingehalten werden.

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So schrieb das UKE schon Ende vergangenen Jahres einen Hilferuf an den NDR, in dem es berichtete, dass Pflegekräfte auf Intensivstationen teilweise auf vier Patienten, also auf doppelt so viele, aufpassen müssten. Wie schlimm würde die Situation dann mit der Kündigungs-Welle werden?

Hamburg: Auszubildende kündigen bereits jetzt

Und laut Weiß kündigen auch jetzt schon viele Auszubildende, weil sie während der Pandemie angefangen hätten und „wirklich fast ausschließlich schlechte Momente erlebt haben.“ Müsste er sich heute für eine Ausbildung entscheiden, „einen Teufel würde ich tun, jetzt in die Pflege zu gehen!“, lacht er schon fast.

Trotzdem wird er nicht kündigen, auch nicht wegen der Impfpflicht und der vielleicht folgenden Kündigungs-Welle. „Ich versuche mich mit diesen Sorgen nicht zu sehr zu befassen und versuche eher im Hier und Jetzt an Ort und Stelle meinen Beitrag zu leisten“, sagt er ruhig und fügt noch hinzu: „Ich kann Menschen helfen, das ist mein Antrieb.“