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Hamburg: Mit stolzen 102 Jahren gelang dieser Frau etwas Unfassbares – „Das kann nicht sein“

Hamburg: Mit stolzen 102 Jahren gelang dieser Frau etwas Unfassbares – „Das kann nicht sein“

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Ingeborg Rapoport (r.) und Nina Kunzendorf (l.), die die Medizinerin in der Serie Charité spielt. Foto: ARD/Stanislav Honzik / imago images / Christian Thiel

Mehr als fünf Millionen Menschen haben die kürzlich geendete dritte Staffel der ARD-Sendung „Charité“ verfolgt. Medizin, Forschung – alles Dinge, die bestens in das aktuelle Corona-Zeitalter passen. Eine zentrale Protagonistin der Staffel ist die leidenschaftliche Kinderärztin Ingeborg Rapoport (gespielt von Nina Kunzendorf). Und die schaffte in der Realität im Alter von 102 Jahren in Hamburg einst etwas Unglaubliches.

In der Hansestadt wurde Ingeborg Rapoport als junge Frau größtes Unrecht angetan. Mit 25 Jahren hatte sie hier erfolgreich Medizin studiert und ihre Dissertation geschrieben. Doch 1938, als die Nazis an der Macht waren, wurde ihr die Verteidigung ihrer Arbeit und damit die Promotion verweigert, wie es von der Universität Hamburg heißt. Der Grund: ihre jüdische Abstammung.

Flucht aus Hamburg

Ingeborg Rapoports Doktorvater Rudolf Degkwitz wurde untersagt, ihre für gut befundene Arbeit zu akzeptieren. Die 1912 in der damaligen Kolonie Kamerun als Ingeborg Syllm geborene Medizinerin, die am israelitischen Krankenhaus in der Stadt arbeitete, floh daraufhin in die USA.

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1952 zog Rapoport mit ihrem Mann zurück nach Deutschland in die DDR nach Ostberlin. Sie arbeitete zunächst als Ärztin und ging 1958 an die Charité, um an der dortigen Kinderklinik die Säuglings- und Frühgeborenenstation zu leiten.

Im Jahr 1961 setzt die ARD-Serie an, die nicht nur vom Leben und Wirken von Ingeborg Rapoport sondern vieler Ärzte handelt, die damals an dem berühmten Krankenhaus arbeiteten und Weltruhm erlangten.

Hamburg: Viel geachteter Erfolg

Ab 1964 war die Medizinerin zunächst Professorin für Pädiatrie und erhielt 1969 den ersten Lehrstuhl in Europa für Neonatologie, dem medizinischen Spezialbereich zur Behandlung von Frühgeborenen.

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Auf einer Ausstellungstafel für das Medizinhistorische Museum in der Hansestadt heißt es, es sei Ingeborg Rapoports viel geachteter Erfolg gewesen, dass die Säuglingssterblichkeit früher in Ostberlin niedriger lag als in Westberlin.

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Emotional wurde es viele Jahre später dann in Hamburg. Also in der Stadt, in der der Ärztin einst so großes Unrecht wiederfuhr. 2014 hatte der Dekan der Medizinischen Fakultät, Uwe Koch-Gromus, von der nicht angenommenen Dissertation Rapoports aus 1938 erfahren.

Dekan reist von Hamburg nach Berlin zur Prüfung

Laut der Universität Hamburg setzte sich Koch-Gromus mit Nachdruck für die Aufklärung ein und reiste im Mai 2015 als Teil einer dreiköpfigen Prüfungskommission zu der mittlerweile 102 Jahre alten Ingeborg Rapoport nach Berlin, um dort mit 77 Jahren Verspätung die mündliche Prüfung nachzuholen und abzunehmen. Sie bestand die Verteidigung ihrer Dissertation mit Bravour.

„Nicht nur unter Be­rück­sich­ti­gung ihres hohen Al­ters war sie ein­fach bril­lant. Wir waren be­ein­druckt von ihrer in­tel­lek­tu­el­len Wach­heit und sprach­los über ihr Fach­wis­sen – auch im Be­reich mo­der­ner Me­di­zin“, sagte Koch-Gromus anschließend.

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In der Tagesschau zeigte er sich ebenfalls baff: „Ich hab‘ nur gedacht das kann nicht sein, was ich hier erlebe.“ Die drei Mitglieder der Prüfungskommission seien „wie beseelt aus der Wohnung hinausgetreten.“ Rapoports Note: Magna cum Laude, also „sehr gut“.

Der „Jun­gen Welt“ erzählte Ingeborg Rapoport, sie sei vor der Prüfung aufgeregt gewesen:„Ich woll­te ja die drei Pro­fes­so­ren, die extra aus Ham­burg ge­kom­men waren, kei­nes­wegs ent­täu­schen.“ Die Vorbereitung auf die Prüfung, die sie mithilfe von Freunden absolvierte, hätten die Erinnerungen an die schwere Zeit wieder sehr bewusst gemacht.

Promotionsurkunde in Hamburg

In Hamburg erhielt Ingeborg Rapoport anschließend feierlich ihre Promotionsurkunde. Bei ihrer Rede sagte sie mit Blick auf die Unterdrückung der jüdischen Bevölkerung: „Ich tue das auch im Namen aller derer, die diesen Tag nicht mehr miterleben konnten. Die sicher in einer ähnlichen oder viel schlimmeren Situation als ich gewesen sind.“

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Mit dabei war bei der Feier auch die Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin von Hamburg, Katharina Fegebank, die sich kürzlich als Fan der ARD-Charité-Staffel bezeichnete. „Ich durfte diese außergewöhnliche Frau bei ihrer Promotionsfeier kennenlernen“, schrieb sie auf Twitter.

Ingeborg Rapoport verstarb im März 2017. (rg)

Die dritte Staffel der Serie mit der Medizinerin im Ersten ist kürzlich zu Ende gegangen. Alle Folgen kannst du >>> hier in der Mediathek sehen.