Ist Hamburg ein tödliches Pflaster für Obdachlose? Rückblick: Im Juni 2022 übergoss ein Mann am Bahnhof Altona den Pullover eines schlafenden Obdachlosen (34) mit Alkohol, zündete ihn dann an. Das Opfer erlitt Verbrennungen am Arm. Kein Einzelfall in der Hansestadt, denn: Immer wieder werden hier Wohnungslose Opfer von Brandanschlägen!
Kriminologin Bärbel Bongartz lehrt an der Internationalen Hochschule (IU), warnt vor dem schlimmen Phänomen: „Der Hass gegenüber Minderheiten und Sozialschwachen ist nicht neu – er wird aber stärker!“
Hamburg: Brandanschläge auf Obdachlose keine Seltenheit
Bereits 2017 wurde ein Obdachloser (39) in St. Georg von einem 32-Jährigen im Schlaf angezündet. Passanten löschten das Feuer, das Opfer blieb zum Glück unverletzt. Schon zwei Monate vorher zündete ein Mann (29) den Schlafplatz von zwei Obdachlosen (43 und 32) an den Landungsbrücken an. Das Duo wurde leicht verletzt.
Auch 2019 zündete ein Unbekannter während des Hafengeburtstags die Haare eines schlafenden Obdachlosen (52) an. 2021 steckten zwei Unbekannte den Schlafsack eines Obdachlosen am Park an der Seewartenstraße in Brand. Er konnte von einer Frau gerettet werden, wurde leicht verletzt.
Expertin Bongartz gegenüber MOIN.DE: „Die Bereitschaft zu gewalttätigem Handeln und die Zahl derer sind enorm gestiegen. Die Lage in Großstädten wie Hamburg ist natürlich anders als in kleineren Ortschaften.“ Bongartz über die Ursachen für die Gewalt gegen Obdachlose: „Leute, die sich selber als Verlierer der Gesellschaft begreifen, üben Gewalt gegen noch Schwächere aus. Weil das ein Machtgefühl ist.“
Die Professorin weiter: „Ein Mensch, der nachts auf der Straße schläft – schwächer geht es nicht!“ Wer Prügel austeile, bekomme ein Überlegenheitsgefühl. Außerdem sei es für viele Täter eine Art „Mutprobe“.
Was treibt Täter an, Obdachlose anzuzünden?
Die Polizei selbst verweist darauf, dass Daten zu Opfern in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nur bei Delikten erfasst wird, für die im Strafenkatalog eine „Opfererfassung“ vorgesehen ist. Heißt im Klartext: Es müssen Delikte gegen Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung vorliegen.
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Hamburgs Polizeisprecher Thilo Marxsen zu MOIN.DE: „Straftaten zum Nachteil von Obdachlosen werden nicht gesondert gekennzeichnet. Solche Fälle werden je nach Sachverhalt unter den jeweiligen Straftatenschlüsseln erfasst. Seit dem Jahr 2022 können in Hamburg für eine indirekte Auswertung Daten zu Opfern hinsichtlich der Spezifikation ‚Obdachlosigkeit‘ ausgewertet werden. Im ersten Halbjahr 2022 wurden 165 Opferwendungen erfasst.“
Er verweist auf die „Stadtteilpolizisten“, die in ihren Betreuungsgebieten sehr gut vernetzt seien und die obdachlosen Menschen gut kennen würden. „Neben dem regelmäßigen Bestreifen der ‚Platten‘ gehört auch der persönliche Kontakt und die Frage nach dem Wohlbefinden. Im Zuge dessen werden auch Beratungsstellen und Hilfsangebote aufgezeigt.“