Es ist fast eine Woche her, seit Syriens Diktator Baschar al-Assad das Land verlassen hat, wodurch eine rund 53-jährige Ära der Herrschaft seiner Familie zu Ende ging. Seitdem jubeln Syrer weltweit – und auch in Hamburg halten die Feierlichkeiten an. Dazu fand am Samstag (14. Dezember) ein besonderes Event statt.
MOIN.DE war vor Ort und hat einige Eindrücke gesammelt, wie sich Syrer in Hamburg nach dem historischen Ereignis fühlen und welche Pläne sie für die Zukunft schmieden.
Hamburg: Syrer feiern das Ende Assads
Das Kollektiv Diarfest organisiert regelmäßig Partys und Konzerte, doch dieses Mal war es eine besondere Veranstaltung auf der „MS Stubnitz“ in Hamburg. Der Anlass: „Das neue Syrien ohne Assad – nach über 50 Jahren Diktatur“. Für Organisatorin Hanadi, die selbst aus Syrien stammt, war es ein besonders emotionaler Tag, an dem sie „Assads Untergang“ feierte.
„Wir haben die tolle Nachricht aus Syrien erhalten. Da haben wir gesagt: Jetzt ist die Zeit, so etwas Großes auf die Beine zu stellen. Wir möchten mit dieser Veranstaltung auch etwas Gutes tun, denn wir wollen den gesamten Gewinn an die Weißhelme spenden“, sagt Hanadi im Gespräch mit MOIN.DE. Die Weißhelme (Syrischer Zivilschutz) sind eine humanitäre Organisation, die im syrischen Bürgerkrieg Menschen aus Trümmern rettet, medizinische Hilfe leistet und Kriegsverbrechen dokumentiert. Hanadi betont betont, dass dies ein Zeichen der Freiheit und ein Schritt in Richtung eines neuen Syrien sei.
+++ Hamburg: Warum wir Syrer so ausgelassen auf deutschen Straßen feiern +++
Am Samstagabend erstrahlte die „MS Stubnitz“ in besonderem Glanz. An die Wand wurde das arabische Wort „Freiheit“ projiziert, während zahlreiche Syrerinnen und Syrer mit den Farben der Revolutionsflagge, die als neue offizielle Flagge Syriens gilt, ihre Gesichter bemalten. Die Stimmung an Bord war ausgelassen und feierlich.
Hamburg: Syrerinnen verraten ihre Pläne
Unter den Besuchern ist auch Sahar. Sie kommt aus Damaskus und lebt seit 2015 in Deutschland. Sie war mit ihren Freundinnen auf der Party, um „endlich die syrische Volksfreiheit zu feiern“, erzählt die Zahnärztin im Gespräch mit MOIN.DE.
Sie habe in Hamburg Zahnmedizin studiert und vor Kurzem angefangen zu arbeiten. „In Deutschland fühle ich mich auch zu Hause. Ein Neuanfang in meinem alten Heimatland käme für mich erst einmal nicht infrage, ich würde hierbleiben und weiterarbeiten“, offenbart die 29-Jährige und gibt an, dass ein Neuanfang in einem anderen Land nach zehn Jahren in Deutschland schwierig für sie wäre.
Hamburg: „Es fühlt sich wie eine Achterbahnfahrt an“
Auch Sadra aus Aleppo feiert die Freiheit von Syrien. Sie habe aktuell gemischte Gefühle. „Es fühlt sich ein bisschen wie eine Achterbahnfahrt an“, erzählt die 27-Jährige und meint damit die nahe Zukunft Syriens, denn dort gibt es aktuell nur eine Übergangsregierung und noch keine klaren Pläne für die Zukunft des Landes.
„Aber auf jeden Fall überwiegen die glücklichen Gefühle die Sorgen“, so die Apothekerin. Ob sie bald nach Syrien zurückkehrt, ist für sie aktuell unvorstellbar. „Für mich persönlich hat es viel Zeit und Mühe gekostet, hier auf eigenen Beinen zu stehen. Ich habe Pharmazie hier studiert und arbeite als Apothekerin. Deshalb möchte ich erst einmal in meinem zweiten Heimatland, Deutschland, bleiben und dann vielleicht irgendwann Syrien besuchen – auf jeden Fall“, sagt Sadra aus Hamburg.
Sie habe heute mehr Familie in Deutschland als in Aleppo, da ihre Heimatstadt zwischen 2013 und 2015 massiv bombardiert wurde, was Hunderttausende zur Flucht zwang. Laut UNESCO (2016) sind rund 60 Prozent der Altstadt schwer beschädigt, davon 30 Prozent vollständig zerstört. In Ost-Aleppo wurden etwa 60 Prozent der Gebäude zerstört.
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Die Syrer freuen sich allgemein über die neu gewonnene Freiheit ihres Landes. Für viele ist eine Rückkehr jedoch frühestens in einigen Monaten denkbar, wenn ab März die neue Regierung ihre Arbeit aufnimmt und klare Perspektiven für die Zukunft des Landes schafft.