Die Sylter Austern haben ein Winterquartier – aber nicht, weil sie es bequemer finden, sondern weil sie sonst verhungern würden.
Jedes Jahr, wenn die Temperaturen sinken und das Wattenmeer von Eisschollen bedroht wird, müssen rund eine Million der „Sylter Royal“ in Sicherheit gebracht werden. Doch hinter der Fassade der edlen Delikatesse spielt sich ein Drama ab, das den Austernzüchtern der Nordseeinsel große Sorgen bereitet.
Sylt: Kalt, aber nicht kalt genug
Das Treiben von Eisschollen auf der Nordsee ist für die Austern ein echtes Problem. Normalerweise liegen die Tiere gut geschützt auf Eisengestellen im Watt, in ihren Netzsäcken, den „Poches“. Doch wenn die Schollen kommen, wird es gefährlich: Die empfindlichen Konstruktionen könnten zerstört werden – und mit ihnen Millionen Austern. „Das können wir uns nicht leisten“, sagt Christoffer Bohlig, Betriebsleiter von Dittmeyer’s Austern-Compagnie, Deutschlands einziger Austernzucht.
Die Lösung ist einfach: Sie ziehen ins Winterlager um. Doch genau hier fängt das Problem an.
In den Meerwasserbecken an Land ist einfach kein Platz mehr. „Mehr als eine Million Austern passen einfach nicht rein“, sagt Bohlig. Stattdessen werden viele der kleinen Austern in speziellen Säcken im Lister Hafen untergebracht. Doch selbst das reicht nicht mehr. Ein Teil muss notgedrungen im Watt verbleiben. Das ist eine riskante Lotterie mit der Natur.
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Sylt: Verlustzahlen explodieren
Die neue Auflage führt zu Platznot, weil die Zucht nur noch winzige Austern mit 0,02 Gramm Gewicht starten darf, die noch nie mit Meerwasser in Kontakt waren. „Das soll verhindern, dass sich invasive Arten einschleichen“, sagt Bohlig. Die Folge sind gewaltige Bestände – derzeit über fünf Millionen Austern in verschiedenen Altersstufen. Früher war das einfacher. Da konnten wir mit größeren Setzlingen aus Irland arbeiten und das war effizienter. „Andere Länder dürfen das weiterhin, nur wir nicht“, kritisiert der Zuchtleiter.
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Die neuen Vorgaben haben nicht nur dafür gesorgt, dass wir mehr Lagerprobleme haben, sondern auch, dass sich der gesamte Produktionszyklus komplett verändert hat. „Früher haben wir die Austern in ein bis zwei Jahren auf Konsumreife gebracht, jetzt dauert es fünf Jahre“, sagt Bohlig. Die Verluste sind echt heftig: Statt 10 bis 15 Prozent Ausfall wie früher, sterben heute bis zu 80 Prozent der Tiere.
Für Bohlig ist das eine Katastrophe, die an Ideologie grenzt: „Das ist der Versuch einer Nullnutzung des Wattenmeeres.“ Die Sylter Austernzucht ist dagegen nachhaltig und hochwertig, betont er. „Hier können wir kontrolliert züchten, andere machen es nicht besser.“